Auf dem Filmerbe-Festival der Deutschen Kinemathek wurde das »Aus« des letzten Kopierwerks Deutschlands verkündet.
Am letzten September-Wochenende fand erstmalig das Filmerbe-Festival der Deutschen Kinemathek in Berlin statt. In Kooperation mit dem Kinematheksverbund und der Fédération Internationale des Archives du Film (FIAF) präsentierte das Festival Film:ReStored an vier Tagen, vom 22. bis 25. September 2016, Kinopremieren digital restaurierter Filme aus sechs Jahrzehnten deutscher Filmgeschichte.
Begleitet wurden die Vorführungen von einer zweitägigen Konferenz mit Vorträgen, Podiumsrunden und Werkstattgesprächen, die den Erhalt des Filmerbes im digitalen Zeitalter ins Licht rückten. Die Verleihung des Lotte-Eisner-Preises in Höhe von 6.000 Euro für ein herausragendes Kinoprogramm Kommunaler Kinos und ein Kinderprogramm rundeten die Veranstaltung ab.
Für die erste Auflage des Festivals hatte die Deutsche Kinemathek ein eindrucksvolles Programm im vergangenen Jahr restaurierter Filmklassiker zusammengestellt, darunter der Kinderfilm „Sabine Kleist, 7 Jahre“ von Helmut Dziuba, Wolfgang Staudtes „Rose Bernd“ aus dem Jahre 1957 und das fesselnde Drama „Kameradschaft“ von Georg Wilhelm Pabst. Alle Filme sind herausragende künstlerische Werke und zugleich Zeit-Dokumente, die das Lebensgefühl jener Epochen einfangen.
Archive des Kinematheksverbundes führten Beispiele aus der Digitalisierungspraxis vor und gaben damit Einblick in technische Möglichkeiten und Entscheidungsprozesse bei der Überführung von analogem Material in digitale Daten. Auch damit verbundene ethische und ästhetische Fragen wurden weiterführend in Vorträgen und Gesprächsrunden mit Experten aus dem In- und Ausland diskutiert.
Dabei ging es vor allem um den Status und den Schutz des (analogen) Originals: Gerade vor dem Hintergrund der Reproduzierbarkeit als Wesensmerkmal des Mediums Film wurde diskutiert, was künftig als „Original“ gelten kann und wie es als Archivgut und Referenz für jede weitere Kopierung zu behandeln ist. Erst auf dieser Grundlage können verbindliche Kriterien für eine nachhaltige Digitalisierung des Filmerbes aufgestellt werden, die eine der größten kulturellen Herausforderungen der Zeit darstellt.
Somit stellte sich die Veranstaltung der schwierigen Frage nach dem Überleben des fragilen Kulturguts Film im digitalen Zeitalter. Mit der Ankündigung, dass das Bundesarchiv sein Kopierwerk schließen wird und die Mittel in Anlagen zur Digitalisierung der Bestände stecken wird, schockte zudem Dr. Michael Hollmann, Direktor des Bundesarchivs, die Öffentlichkeit auf dem Symposium in Berlin.
Tatsächlich ist das Filmerbe in großer Not, die Archive sind seit Jahrzehnten das Stiefkind der deutschen Kulturpolitik. Oder, wie es Peter Dinges von der Filmförderungsanstalt (FFA) vorsichtig formulierte, ein Erbe muss auch angenommen werden.
Nach der Wende wurden für das Bundesfilmarchiv kühne Pläne geschmiedet. In einem Neubau in Berlin sollten die Bestände aus Koblenz, Berlin und den anderen Außenstellen verschmelzen. Die Baupläne verschwanden selbst im Archiv. In ihrer Not alarmierten die Archivare Ende der 1990 die Presse und den ersten Kulturstaatsminister Michael Naumann. Gemeinsam standen sie inmitten von Badewannen, mit denen im Empfangsgebäude des Archivs in Wilhelmshagen das Wasser aufgefangen wurde, dass durch das Dach tropfte. Die Lager war durch die Asbestbelastung kaum noch zu betreten.
Es folgten der Neubau des Lagers in Hoppegarten und der Umzug der technischen Abteilung. Neue Pläne für Zweckbauten am zentralen Standort in Lichterfelde wurden geschmiedet. Statt wie einst angepeilt 2009 ist nun der März 2019 für die Fertigstellung anvisiert – das toppt wohl nur noch die Elbphilharmonie.
Zudem wurde systematisch Personal abgebaut, von einst 111 Mitarbeitern sind noch 64 geblieben. Das Archiv musste vier Millionen für den Wiederaufbau der Herzogin Amalia-Bibliothek aus seinem Etat abzweigen. Doch von den Erhöhungen des BKM-Etats seit 2007 profitierte es nie. Dabei wuchsen die Bestände, auch durch staatliche Auflagen. Seit 2004 schreibt das FFG vor, dass Produzenten, die von der Förderung des Bundes oder der FFA profitieren, dem Bundesfilmarchiv eine Archivkopie überlassen müssen.
Nun steht die Digitalisierung an, und auch hier zeigt sich die Bundesregierung bislang knausrig. Seit 2012 fördert das BKM digitale Erhaltungs- und Restaurierungsmaßnahmen, seit 2013 mit je einer Million Euro. Auch für 2017 ist diese Summe geplant. Bliebe es dabei, wäre die Digitalisierung des Filmerbes in 474 Jahren abgeschlossen. Diese Summe hat PWC in einem Gutachten im Auftrag der FFA ermittelt.
Das BKM wartet auf die Beteiligung der Länder und der Filmwirtschaft. Berlin und Brandenburg zahlten in diesem Jahr 450.000 Euro, unter anderem für die Digitalisierung von Wim Wenders „Himmel über Berlin“. Zur Erinnerung hier der Trailer:
Auch die Filmwirtschaft hat bereits kräftig vorgelegt. Die FFA stellt seit 2012 je eine Million Euro bereit, in diesem Jahr sind es sogar zwei. Ursprünglich war die Verdoppelung an die Bedingungen geknüpft, dass auch das BKM nachlegt. Im Sommer hat die FFA beschlossen, das Geld trotzdem bereitzustellen.
Die FFA fordert einen Eigenanteil der Antragsteller von 20%. Bislang investierten die Rechteinhaber im Schnitt 30%. Die Filmwirtschaft hat damit 2,9 Millionen Euro aufgebracht. Und ist damit nahe dran an den 3,3 Millionen, die die Politik gerne von ihr hätten. Am 26. September saßen erneut Vertreter von Bund und Ländern beisammen, um ein Bündnis zu schmieden, bei dem Bund, Länder und Filmwirtschaft je ein Drittel eines 10 Millionen Etats aufbringen.
Zehn Jahre soll das Bündnis bestehen. Dann ist ein Fünftel der Bestände digitalisiert. Die Filmarchivare sprechen vom Arche-Noah-Prinzip.
Das Gezerre um das Filmerbe ist einer Kulturnation wie Deutschland unwürdig. Die Länder müssen sich zu ihrer Verantwortung bekennen. Doch vor allem muss das BKM finanziell nachlegen, das Bundesfilmarchiv und die anderen Archive des Bundes müssen besser ausgestattet werden und den Löwenanteil der Digitalisierungskosten übernehmen. Auch die 24 Millionen für ein Zentralverzeichnis der Bestände der Einrichtungen des Kinemathekenverbunds, das 2008 angekündigt und still begraben wurde, müssen endlich bewilligt werden, damit Nutzer nicht von Pontius zu Pilatus rennen müssen, um bestimmte Titel physisch zu finden.
Aber vor allem, Deutschland kann und muss es sich leisten und nach zehn Jahren Diskussion zu einem „Ja, wir schaffen das“ kommen. Die Projektion einer Schwarzen Null fesselt in 50 Jahren keinen Zuschauer vor der Leinwand oder dem Bildschirm.
Auch Klaus Kreimeier, der zusammen mit Jeanpaul Goergen und Helmut Herbst im Jahre 2013 die Initiative "Filmerbe in Gefahr" mit einer Petition an den Bundestag startete, stellt nunmehr fest, dass die Zwischenbilanz nach drei Jahren äußerst ernüchternd ausfällt. Allen Versprechen und Zusagen zum Trotz hat sich an der misslichen Lage nur sehr wenig zum Besseren verändert.
Im Hinblick auf die bevorstehende Expertenanhörung vor dem Bundestagsausschuss Kultur und Medien und die von Staatsministerin Monika Grütters seit längerem angekündigten Verhandlungen mit den Bundesländern und der Filmwirtschaft über die Finanzierung ihres Digitalisierungsvorhabens wendet sich nun seine Initiative mit einem offenen Aufruf an die Abgeordneten des Bundestags. Er fasst die Defizite zusammen und leitet daraus die aktuellen Forderungen an die politisch Verantwortlichen ab. Sie finden den Appell hier nachfolgend:
Was wurde bereits digitalisiert?
Eine Übersicht der bisher durch öffentliche Förderung ermöglichten Digitalisierungen findet sich unter www.filmportal.de/nachrichten.
Die Listen der Digitalisierungen des Kinematheksverbundes zeigen darüber hinaus, welche Digitalisate – von Digibeta bis 4K – aus Haushaltsmitteln oder Nutzungsanfragen in den letzten Jahren erstellt wurden. Anhand der vollständigen Darstellung kann man den technischen Wandel bei den Nutzungsanfragen verfolgen und erkennen, dass nicht nur bekannte Werke im Fokus des Interesses stehen. Näheres dazu hier auf Filmportal.
Eine chronologische Übersicht der wichtigsten deutschen Filme gibt es hier .
Das Deutsche Filminstitut in Frankfurt/Main hat sich entschlossen, in seine Liste nur Digitalisate von HD aufwärts aufzunehmen; es verfügt jedoch auch über eine größere Anzahl von SD-Digitalisaten, die einzeln erfragt werden können.
Digitalisate im Bundesarchiv sind darin nicht enthalten. Sie sind im Bundesarchiv zu erfragen bzw. im Falle von vorhandenen Benutzungsstücken auf der Website des Bundesarchiv-Filmarchivs einzusehen unter: www.bundesarchiv.de/benutzungsmedien/filme.
Link: www.deutsche-kinemathek.de/veranstaltungen/film-restored
Quellen: epd Film | Deutsche Kinemathek | Katharina Dockhorn | Klaus Kreimeier
Am letzten September-Wochenende fand erstmalig das Filmerbe-Festival der Deutschen Kinemathek in Berlin statt. In Kooperation mit dem Kinematheksverbund und der Fédération Internationale des Archives du Film (FIAF) präsentierte das Festival Film:ReStored an vier Tagen, vom 22. bis 25. September 2016, Kinopremieren digital restaurierter Filme aus sechs Jahrzehnten deutscher Filmgeschichte.
Begleitet wurden die Vorführungen von einer zweitägigen Konferenz mit Vorträgen, Podiumsrunden und Werkstattgesprächen, die den Erhalt des Filmerbes im digitalen Zeitalter ins Licht rückten. Die Verleihung des Lotte-Eisner-Preises in Höhe von 6.000 Euro für ein herausragendes Kinoprogramm Kommunaler Kinos und ein Kinderprogramm rundeten die Veranstaltung ab.
Für die erste Auflage des Festivals hatte die Deutsche Kinemathek ein eindrucksvolles Programm im vergangenen Jahr restaurierter Filmklassiker zusammengestellt, darunter der Kinderfilm „Sabine Kleist, 7 Jahre“ von Helmut Dziuba, Wolfgang Staudtes „Rose Bernd“ aus dem Jahre 1957 und das fesselnde Drama „Kameradschaft“ von Georg Wilhelm Pabst. Alle Filme sind herausragende künstlerische Werke und zugleich Zeit-Dokumente, die das Lebensgefühl jener Epochen einfangen.
Archive des Kinematheksverbundes führten Beispiele aus der Digitalisierungspraxis vor und gaben damit Einblick in technische Möglichkeiten und Entscheidungsprozesse bei der Überführung von analogem Material in digitale Daten. Auch damit verbundene ethische und ästhetische Fragen wurden weiterführend in Vorträgen und Gesprächsrunden mit Experten aus dem In- und Ausland diskutiert.
Dabei ging es vor allem um den Status und den Schutz des (analogen) Originals: Gerade vor dem Hintergrund der Reproduzierbarkeit als Wesensmerkmal des Mediums Film wurde diskutiert, was künftig als „Original“ gelten kann und wie es als Archivgut und Referenz für jede weitere Kopierung zu behandeln ist. Erst auf dieser Grundlage können verbindliche Kriterien für eine nachhaltige Digitalisierung des Filmerbes aufgestellt werden, die eine der größten kulturellen Herausforderungen der Zeit darstellt.
Somit stellte sich die Veranstaltung der schwierigen Frage nach dem Überleben des fragilen Kulturguts Film im digitalen Zeitalter. Mit der Ankündigung, dass das Bundesarchiv sein Kopierwerk schließen wird und die Mittel in Anlagen zur Digitalisierung der Bestände stecken wird, schockte zudem Dr. Michael Hollmann, Direktor des Bundesarchivs, die Öffentlichkeit auf dem Symposium in Berlin.
Tatsächlich ist das Filmerbe in großer Not, die Archive sind seit Jahrzehnten das Stiefkind der deutschen Kulturpolitik. Oder, wie es Peter Dinges von der Filmförderungsanstalt (FFA) vorsichtig formulierte, ein Erbe muss auch angenommen werden.
Nach der Wende wurden für das Bundesfilmarchiv kühne Pläne geschmiedet. In einem Neubau in Berlin sollten die Bestände aus Koblenz, Berlin und den anderen Außenstellen verschmelzen. Die Baupläne verschwanden selbst im Archiv. In ihrer Not alarmierten die Archivare Ende der 1990 die Presse und den ersten Kulturstaatsminister Michael Naumann. Gemeinsam standen sie inmitten von Badewannen, mit denen im Empfangsgebäude des Archivs in Wilhelmshagen das Wasser aufgefangen wurde, dass durch das Dach tropfte. Die Lager war durch die Asbestbelastung kaum noch zu betreten.
Es folgten der Neubau des Lagers in Hoppegarten und der Umzug der technischen Abteilung. Neue Pläne für Zweckbauten am zentralen Standort in Lichterfelde wurden geschmiedet. Statt wie einst angepeilt 2009 ist nun der März 2019 für die Fertigstellung anvisiert – das toppt wohl nur noch die Elbphilharmonie.
Zudem wurde systematisch Personal abgebaut, von einst 111 Mitarbeitern sind noch 64 geblieben. Das Archiv musste vier Millionen für den Wiederaufbau der Herzogin Amalia-Bibliothek aus seinem Etat abzweigen. Doch von den Erhöhungen des BKM-Etats seit 2007 profitierte es nie. Dabei wuchsen die Bestände, auch durch staatliche Auflagen. Seit 2004 schreibt das FFG vor, dass Produzenten, die von der Förderung des Bundes oder der FFA profitieren, dem Bundesfilmarchiv eine Archivkopie überlassen müssen.
Nun steht die Digitalisierung an, und auch hier zeigt sich die Bundesregierung bislang knausrig. Seit 2012 fördert das BKM digitale Erhaltungs- und Restaurierungsmaßnahmen, seit 2013 mit je einer Million Euro. Auch für 2017 ist diese Summe geplant. Bliebe es dabei, wäre die Digitalisierung des Filmerbes in 474 Jahren abgeschlossen. Diese Summe hat PWC in einem Gutachten im Auftrag der FFA ermittelt.
Das BKM wartet auf die Beteiligung der Länder und der Filmwirtschaft. Berlin und Brandenburg zahlten in diesem Jahr 450.000 Euro, unter anderem für die Digitalisierung von Wim Wenders „Himmel über Berlin“. Zur Erinnerung hier der Trailer:
Auch die Filmwirtschaft hat bereits kräftig vorgelegt. Die FFA stellt seit 2012 je eine Million Euro bereit, in diesem Jahr sind es sogar zwei. Ursprünglich war die Verdoppelung an die Bedingungen geknüpft, dass auch das BKM nachlegt. Im Sommer hat die FFA beschlossen, das Geld trotzdem bereitzustellen.
Die FFA fordert einen Eigenanteil der Antragsteller von 20%. Bislang investierten die Rechteinhaber im Schnitt 30%. Die Filmwirtschaft hat damit 2,9 Millionen Euro aufgebracht. Und ist damit nahe dran an den 3,3 Millionen, die die Politik gerne von ihr hätten. Am 26. September saßen erneut Vertreter von Bund und Ländern beisammen, um ein Bündnis zu schmieden, bei dem Bund, Länder und Filmwirtschaft je ein Drittel eines 10 Millionen Etats aufbringen.
Zehn Jahre soll das Bündnis bestehen. Dann ist ein Fünftel der Bestände digitalisiert. Die Filmarchivare sprechen vom Arche-Noah-Prinzip.
Das Gezerre um das Filmerbe ist einer Kulturnation wie Deutschland unwürdig. Die Länder müssen sich zu ihrer Verantwortung bekennen. Doch vor allem muss das BKM finanziell nachlegen, das Bundesfilmarchiv und die anderen Archive des Bundes müssen besser ausgestattet werden und den Löwenanteil der Digitalisierungskosten übernehmen. Auch die 24 Millionen für ein Zentralverzeichnis der Bestände der Einrichtungen des Kinemathekenverbunds, das 2008 angekündigt und still begraben wurde, müssen endlich bewilligt werden, damit Nutzer nicht von Pontius zu Pilatus rennen müssen, um bestimmte Titel physisch zu finden.
Aber vor allem, Deutschland kann und muss es sich leisten und nach zehn Jahren Diskussion zu einem „Ja, wir schaffen das“ kommen. Die Projektion einer Schwarzen Null fesselt in 50 Jahren keinen Zuschauer vor der Leinwand oder dem Bildschirm.
Auch Klaus Kreimeier, der zusammen mit Jeanpaul Goergen und Helmut Herbst im Jahre 2013 die Initiative "Filmerbe in Gefahr" mit einer Petition an den Bundestag startete, stellt nunmehr fest, dass die Zwischenbilanz nach drei Jahren äußerst ernüchternd ausfällt. Allen Versprechen und Zusagen zum Trotz hat sich an der misslichen Lage nur sehr wenig zum Besseren verändert.
Im Hinblick auf die bevorstehende Expertenanhörung vor dem Bundestagsausschuss Kultur und Medien und die von Staatsministerin Monika Grütters seit längerem angekündigten Verhandlungen mit den Bundesländern und der Filmwirtschaft über die Finanzierung ihres Digitalisierungsvorhabens wendet sich nun seine Initiative mit einem offenen Aufruf an die Abgeordneten des Bundestags. Er fasst die Defizite zusammen und leitet daraus die aktuellen Forderungen an die politisch Verantwortlichen ab. Sie finden den Appell hier nachfolgend:
Aufruf an die Abgeordneten des Deutschen Bundestags.
Die Große Koalition zwischen CDU, CSU und SPD bekannte sich in ihrem Koalitionsvertrag von November 2013 eindeutig zur dauerhaften Sicherung des nationalen Filmerbes. Sie versprach eine Digitalisierungsförderung durch den Bund und stellte entsprechende finanzielle Anstrengungen der Länder und der Filmwirtschaft in Aussicht. Sie sagte zu, die Stiftung Deutsche Kinemathek als eine der zentralen Einrichtungen zur Bewahrung und Zugänglichmachung des deutschen Filmerbes stärker als bisher zu unterstützen. Ebenso versicherte sie, auch das Bundesarchiv personell und finanziell zu stärken.
Trotz zahlreicher Appelle, Initiativen und Petitionen sind alle Versprechen und Versicherungen bis zum heutigen Tag uneingelöst:
1. Das Filmerbe ist weiter in Gefahr. Einerseits droht durch Alterungsprozesse, aber auch durch unbedachte Vernichtung der materielle Verlust von Archivfilmen. Andererseits verschwindet die deutsche Filmgeschichte immer mehr aus Kinos und Fernsehen, während für ihre digitale Sichtbarkeit zu wenig getan wird.
2. Die Digitalisierungsförderung des Bundes stagniert seit Jahren bei einer Million Euro für ausgewählte Mitglieder des Kinematheksverbundes.
3. Die Verhandlungen über eine Beteiligung der Länder und der Filmwirtschaft an der Digitalisierungsförderung kommen nicht voran.
4. Anstatt die Deutsche Kinemathek zu stärken, ist im Etat für 2017 eine Kürzung ihres Haushalts vorgesehen.
5. Mit der Schließung des dem Bundesarchiv-Filmarchiv angeschlossenen Kopierwerks wird eine der letzten analog arbeitenden Einrichtungen in Deutschland unter dem Druck ökonomischer Zwänge beseitigt. So werden vollendete Tatsachen geschaffen, bevor vom Kinematheksverbund eine Gesamtstrategie für die Sicherung des Filmerbes erarbeitet wurde.
6. Das Bundesarchiv-Filmarchiv wird nicht gestärkt. Vielmehr beschränkt es sich wegen der Sparzwänge ausschließlich auf die Digitalisierung, d.h auf eine Technologie, die unter internationalen Experten als ungeeignet für eine dauerhafte Sicherung gilt, solange noch keine Langzeitmodelle zur Speicherung digitaler Daten existieren und die Digitalisate mithin dem Risiko des Datenverlusts und der schnellen Überalterung von Dateiformaten ausgesetzt sind.
Kulturstaatsministerin Dr. Monika Grütters erklärte jüngst die Digitalisierung des deutschen Filmerbes zur „Jahrhundertaufgabe“. Wir fordern die Politiker der Großen Koalition auf, sich dieser Jahrhundertaufgabe verantwortungsvoll zu stellen und die Vereinbarungen des Koalitionsvertrags endlich umzusetzen. Wir fordern:
• die Schaffung eines dauerhaften und mit angemessenen Mitteln ausgestatteten Fonds für eine zweigleisige konservatorische Sicherungsstrategie, die sowohl die Herstellung langzeitstabiler analoger Sicherungskopien als auch die Herstellung und Archivierung digitaler Kopien erlaubt.
• die Einrichtung einer zentralen Koordinierungsstelle, um die Fördermittel angemessen auf die Mitglieder des Kinematheksverbunds sowie auf weitere Archive mit Filmbeständen in Bund, Ländern und Kommunen und auf Privatarchive mit relevanten Beständen zu verteilen,
• finanzielle Mittel für den Aufbau eines dringend benötigten Film-Gesamtkatalogs,
• eine höhere finanzielle und personelle Ausstattung der Mitglieder des Kinematheksverbundes, damit sie die Funktionen einer zentralen deutschen Kinemathek und eines Filmarchivs erfüllen können,
• die Bewahrung der analogen Kopiertechnik in Deutschland und einer entsprechenden technischen und fachlichen Infrastruktur.
Berlin, 1. Oktober 2016
Initiative "Filmerbe in Gefahr"
Jeanpaul Goergen, Filmhistoriker
Prof. Dr. Klaus Kreimeier, Medienwissenschaftler
Erstunterzeichner:
Dr. Dirk Alt, Historiker / Dr. Anna Bohn, Filmwissenschaftlerin / Prof. Norbert Grob, Filmwissenschaftler / Prof. Vinzenz Hediger, Filmwissenschaftler / Prof. Jan-Christopher Horak, Direktor des UCLA Film & Television Archive / Alexander Horwath, Direktor des Österreichischen Filmmuseums / Prof. Dietrich Leder, Medienwissenschaftler / Juliane Maria Lorenz, Präsidentin der Rainer Werner Fassbinder Foundation / Harald Petzold, MbB / Edgar Reitz, Regisseur / Volker Schlöndorff, Regisseur / Wolfram Schütte, Publizist / Prof. Marcus Stiglegger, Filmwissenschaftler / Thomas Tode, Filmhistoriker / Prof. Chris Wahl, Filmwissenschaftler / Alexander Zöller, Filmwissenschaftler
Link: filmerbe-in-gefahr.de/page.php?0,100,0,
Was wurde bereits digitalisiert?
Eine Übersicht der bisher durch öffentliche Förderung ermöglichten Digitalisierungen findet sich unter www.filmportal.de/nachrichten.
Die Listen der Digitalisierungen des Kinematheksverbundes zeigen darüber hinaus, welche Digitalisate – von Digibeta bis 4K – aus Haushaltsmitteln oder Nutzungsanfragen in den letzten Jahren erstellt wurden. Anhand der vollständigen Darstellung kann man den technischen Wandel bei den Nutzungsanfragen verfolgen und erkennen, dass nicht nur bekannte Werke im Fokus des Interesses stehen. Näheres dazu hier auf Filmportal.
Eine chronologische Übersicht der wichtigsten deutschen Filme gibt es hier .
Das Deutsche Filminstitut in Frankfurt/Main hat sich entschlossen, in seine Liste nur Digitalisate von HD aufwärts aufzunehmen; es verfügt jedoch auch über eine größere Anzahl von SD-Digitalisaten, die einzeln erfragt werden können.
Digitalisate im Bundesarchiv sind darin nicht enthalten. Sie sind im Bundesarchiv zu erfragen bzw. im Falle von vorhandenen Benutzungsstücken auf der Website des Bundesarchiv-Filmarchivs einzusehen unter: www.bundesarchiv.de/benutzungsmedien/filme.
Link: www.deutsche-kinemathek.de/veranstaltungen/film-restored
Quellen: epd Film | Deutsche Kinemathek | Katharina Dockhorn | Klaus Kreimeier