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71. Berlinale erst im Sommer - Kinos weiterhin zu - dafür eine VoD-Kritik

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Ohne geöffnete Kinos keine Berlinale im Februar - Medienboard verbreitet Streaming Empfehlungen - Ulrikes VoD Kritik.



Die 71.Berlinale findet nicht vom 11. - 28. Februar 2021 statt und der European Film Market wird wohl einen Monat später nur digital übers Internet für die Filmbranche ausgetragen, schrieb gestern der Tagesspiegel und berief sich dabei auf das US-Branchenblatt "Variety".

Die Berlinale selbst, die bis zuletzt das Festival zwar reduziert, aber weiter physisch austragen wollte, kündigte eine Erklärung an, die jedoch gestern noch ausblieb.

Stimmen aus der Politik wünschen sich eine Verlegung der Internationalen Filmfestspiele in den Sommer. Anfang Juni könnte demzufolge ein Mini-Festival mit einigen Weltpremieren stattfinden, sofern Cannes sein Festival von Mai auf Juni oder Juli verschiebt. Dafür könne man ggf. auch Open-Air-Kinos und die zahlreichen Berliner Freilichtbühnen bespielen, denn an der frischen Luft ist die Corona-Gefahr gering, hieß es hinter vorgehaltener Hand. Ob in diesem Fall auch ein Bären-Wettbewerb ausgetragen wird, ist noch nicht entschieden.

Sicher ist nur, dass der Max Ophüls Preis, dessen Gewinner immer im Anschluss an das stets im Januar stattfindende deutschsprachige Film Festival, das diesmal nur digital in Saarbrücken ausgetragenen wird, unter diesen Umständen erstmals nicht auf der Berlinale gezeigt werden kann.

Auch das Filmkunstfest MV (Mecklenburg-Vorpommern) verschiebt - wegen der anhaltend hohen Corona-Infektionen - sein Festival von Mai auf Anfang September, denn bevor die Impfungen gegen das COVID-19 Virus Wirkung zeigen, wird es wohl Herbst werden.

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Weil die Kinos wegen der Corona-Pandemie weiterhin geschlossen sind und der Lockdown höchstwahrscheinlich im Januar verlängert wird, hat das Medienboard Berlin-Brandenburg eine Aufstellung seiner zahlreichen geförderten Filme veröffentlicht, die anstelle im Kino nun bei den Streamingdiensten wie Netflix, Amazon u.a. digital herauskommen sollen.

Die ziemlich lange Liste, sortiert nach Arthouse, Komödien, Actionfilmen, Serien und weiteren in Berlin-Brandenburg gedrehten, aber nicht geförderten Filmen, sowie Dokus und Kinderfilmen enthält genaue Termine, wann und wo welcher Film erscheinen wird.

Neben den Streamingdiensten werden auch Sky, Fernsehanstalten und deren Mediatheken detailgenau aufgeführt. Wir wollen die Liste vielleicht schon morgen, oder in den nächsten Tagen nach aktuellen Filmen durchforsten und deren Termine dann veröffentlichen.

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Einige Streaming-Dienste unterstützen wenigstens die notleidenden und geschlossenen Kinos, indem sie ein Teil der Erlöse den Filmtheatern zur Verfügung stellen. Dennoch sieht es für die Kinos nicht rosig aus. Die geplante Fusion zwischen Vue, dem Eigner des CinemaxX, und CineStar ist geplatzt. Den vom Kartellamt gesetzten Termin lies Vue verstreichen. Angeblich schlittert der Betreiber bereits in eine Insolvenz und kann nicht mal seine eigenen Kinos weiter betreiben.

Nachdem bereits das CineStar am Berliner Potsdamer Platz seit Anfang des Jahres geschlossen ist, wäre der Verlust des gegenüber liegenden CinemaxX für die Berlinale desaströs.

Gewinner der Krise sind die Streaming-Anbieter. Zahlreiche Filme kommen bereits vor dem Kinostart auf Video-on-Demand (VoD) heraus. Erst danach erscheinen die Filme oftmals dann ggf. auch auf DVD und Blu-ray Disc.

Einen dieser aktuell auf VoD erschienenen Filme, bei dem ausgewählte Kinos an den Einkünften der Onlinetickets beteiligt werden, hat unsere Kollegin Ulrike Schirm nachfolgend besprochen.

"DAS NEUE EVANGELIUM", ein Film von MILO RAU mit Politaktivist YVAN SAGNET als Jesus, ist am 17. Dezember 2020 deutschlandweit gestartet, digital und mit direkter Beteiligung der Kinos als VoD.

Hier der Trailer:



Ulrikes VoD-Kritik:

Der Film „Das neue Evangelium“ ist eine Mischung aus Dokumentarfilm, politischem Aktivismus und Historienfilm des Schweizer Regisseurs, Theatermacher, Autor und Filmregisseur Milo Rau.

O.T. "THE NEW GOSPEL"

Der italienische Drehort Matera erinnert an das alte Jerusalem vor 2000 Jahren. Hier wurden schon die Jesus – Filme von Pier Paolo Pasolini (Das Evangelium nach Matthäus) und Mel Gibson (Die Passion Christi) gedreht.

In Matera und drumherum hausen Flüchtlinge unter katastrophalen Zuständen. Ohne Wasser, ohne Strom und ohne medizinische Versorgung. Menschen, die tagelang die Wüste durchquert haben, die auf dem Meer Verwandte verloren haben, arbeiten bei Gluthitze auf den Feldern, für 3.50 die Stunde. In Italien werden die Flüchtlingslager „Gettos“ genannt. Im Zentrum des Films geht es um die Frage, was Jesus tun und sagen würde, wenn er heute leben würde. Wahrscheinlich würde er die unmenschlichen Lebensbedingungen unter denen die afrikanischen Flüchtlinge in Süditalien leiden (und nicht nur dort, sondern überall), anprangern.

Jesus wird in Raus Film von Yvan Sagnet, einem ehemaligen Landarbeiter aus Kamerun dargestellt, der selbst auf einer Tomatenfarm geschuftet hat, ehe er sich 2011 als Anführer des ersten Landarbeiterstreiks in Süditalien gegen die Ausbeutung auflehnte. Seine Botschaft lautet: „Der Feind ist nicht der Flüchtende, sondern die Gesellschaft, die ihn zur Flucht zwingt. Wir revoltieren für unsere Würde“. Nach dem Vorbild Jesus, kehrt Yvan als „Menschenfischer“ in das größte Flüchtlingslager bei Matera zurück.

Unter den dort Gestrandeten findet er seine „Jünger“. Es gesellen sich zahlreiche Laiendarsteller*innen aus Matera selbst dazu sowie Kleinbäuerinnen und Kleinbauer der Region, die von großen Agrarunternehmen in den Bankrott getrieben werden. Sie alle nehmen an einem „Casting“ teil, bei dem die zukünftigen Mitspieler gefragt werden, warum sie überhaupt mitmachen wollen.

Es sind durchaus amüsante Antworten, sowie ganz ernsthafte dabei. Einer von ihnen möchte testen, wie weit er in der Lage ist als Katholik, das Böse zu spielen und den schwarzen Jesus zu massakrieren. Wie wild peitscht er auf einen leeren Stuhl ein, stößt die übelsten Beschimpfungen aus, steigert sich dermaßen in Rage, dass einem als Zuschauer der Atem stockt. Als Krönung wird die imaginäre Jesusgestalt von ihm angerotzt. Ist dieser grenzenlose Hass, der sich da entlädt noch Spiel oder gar echt. Man weiß es nicht.

Einige Rollen sind von echten Schauspielerinnen und Schauspielern besetzt, die schon bei Pasolini und Gibson vor der Kamera standen. Maia Morgenstern spielt, wie schon bei Gibson, die Mutter des Messias. Der kürzlich verstorbene Jesus – Darsteller Pasolinis, Enrique Irazoqui, spielt Johannes den Täufer.

Raus Film beeindruckt mit einer Szenerie zwischen Realität und Fiktion. Blutig gepeitscht schleppt Jesus sein Kreuz, an das er gleich genagelt wird, den Hügel hinauf, während am Straßenrand in der Kulturstadt Matera, die Menschen ihre Handys zücken. Aus der Menge ertönt der Ruf: „Tötet den Schwarzen“. Dann wieder die Darsteller in ihren historisch anmutenden Kostümen und Geflüchtete, deren Lager geräumt wurde und die nicht wissen, wohin. Einige Apostel des ersten schwarzen Jesus in der europäischen Filmgeschichte sind weiblich und ihre Mehrzahl ist muslimischen Glaubens. Eine Mischung, die erstaunlicherweise gut funktioniert.

Dieser eindrucksvolle Film gibt nicht nur denen eine Stimme, die sonst keine haben, er ist auch eine Würdigung an Yvan Sagnet, der die „Revolte der Würdigung“ ins Leben gerufen hat und dessen Organisation „No Cap“ den geflüchteten Erntehelfern zu ihren Rechten verhilft. Sie haben es geschafft, dass es in den Supermärkten in Süditalien Tomatensoße aus fairer Produktion, mit seinem Label, zu kaufen gibt. Milo Rau: „Am Ende des Films sieht man die ersten „Häuser der Würde“, in denen die zuvor obdachlosen Statisten des Films in Würde und Selbstbestimmtheit leben können“. Und das mit Unterstützung der katholischen Kirche“. Leider ist die „Erlösung von dem Übel“ nur viel zu Wenigen gegönnt.

Die Verbindung aus Dokumentation und biblischer Erzählung besticht zusätzlich durch eindrucksvolle Bilder.

Ulrike Schirm


Deutschland / Schweiz / Italien Laufzeit: 107 Minuten

Kartenbestellung:

Unter www.dasneueevangelium.de erwirbt der Zuschauer sein Online-Kinoticket und wählt gleichzeitig unter film.dasneueevangelium.de ein Kino aus, das er am Erlös beteiligen möchte. Dieses Kino erhält dann 30% des Preises eines digitalen Tickets.

In und um Berlin sind am Projekt die folgenden sieben Kinos involviert:
Filmkunst 66, fsk, Kino intimes, Tilsiter Lichtspiele, Union Filmtheater, Zukunft am Ostkreuz und das Thalia Kino in Potsdam.

An dem Projekt beteiligen sich weitere Kinos in ganz Deutschland, die jeweils auf einer interaktiven Karte ausgewählt werden können.

Einzelticket: 9,99 Euro
Ab 20 Karten bei Gruppen: 7,99 Euro
Ab 50 Karten für Gruppen: 5,99 Euro

Der Film "DAS NEUE EVANGELIUM" steht nach Bezahlung und anschließender Aktivierung der Ticket-ID für 24 Stunden als Stream zu Verfügung.

Link: dasneueevangelium.de/#digitales-ticket



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