Quantcast
Channel: Berliner Arbeitskreis Film e.V. - Neuigkeiten
Viewing all articles
Browse latest Browse all 324

HDF lud zum KINOPOLITISCHEN ABEND der Filmbranche ein - Filmförderung vor Zeitenwende?

$
0
0
Nur noch leichte Steigerung des Kulturetats des Bundes für 2023 - Kürzungen bei der Film- und Serienproduktion - Koalition will stattdessen Kulturpass für 18-Jährige.



Die Fachzeitschrift Filmecho/Filmwoche, das ehemalige offizielle Organ des Verbandes HDF Kino e.V.über Kino und Filmwirtschaft wurde nach Einbruch der Werbeaufträge in Coronazeiten Ende 2020 eingestellt. Nun sind aktuelle Informationen aus der Filmbranche noch spärlicher im Netz zu finden.

Glücklicherweise war unsere Kollegin Katharina Dockhorn vorgestern, den 9. November 2022, beim ersten kinopolitischen Abend des HDF Kino e.V. nach der Pandemie im UCI Luxe am Mercedes Benz Platz in Berlin zugegen und berichtet aktuell für uns aus der Sitzung, zu der traditionell Vertreter*innen aus Politik, Wirtschaft und Gesellschaft eingeladen werden.

Thema des Abends war das Filmförderungsgesetz unter dem Motto:

"LOST IN LEGISLATION:
Wo bleibt die FFG-Novelle und welche Updates sind dringend notwendig?”

Die Keynote hielt Dr. Andreas Görgen, Amtschef bei Claudia Roth, der Beauftragten der Bundesregierung für Kultur und Medien.

Anschließend gab es eine Diskussion mit Christine Berg (HDF KINO), Juliane de Boer (Filmpalast-Gruppe), Anikó Glogowski-Merten (FDP, MdB), Steffen Schier (Warner Bros.) und Marco Wanderwitz (CDU, MdB) unter der Moderation von Louis Klamroth. Abgerundet wurde der Abend mit einem exklusiven Screening von Karoline Herfurths neuem Film "EINFACH MAL WAS SCHÖNES" (Verleih: Warner Bros.).

Darüber hinaus sickerten noch weitere dpa Informationen zum Kulturetat des Bundes für 2023 durch, die wir anschließend ebenfalls hier gerne mitteilen wollen.

Doch zunächst der Bericht unserer Filmkorrespondentin:

Eis oder Schläge? Zwischen diesen Polen sieht Dr. Andreas Görgen, seit zehn Monaten oberster politischer Beamter von Kulturstaatsministerin Claudia Roth, die potentielle Belohnung für das Haus durch die Filmbranche nach der Novellierung des Filmförderungsgesetzes (FFG) nach der Diskussionsrunde beim Filmpolitischen Abend des HDF zusammen. Die angekündigte große Novelle wird es auch in diesem Jahr nicht geben, so viel war schon vorher bekannt geworden.

Dass das FFG und das gesamte Bundesfördersystem in die Jahre gekommen ist und mittlerweile einem unbeweglichen Tanker gleicht, sind sich alle einig. Dass das Fördersystem ineffektiv ist, zu viel Masse statt Klasse fördert, der deutsche Film ein Imageproblem hat und nicht zuletzt international regelmäßig für zu leicht befunden wird, ist ebenso ein Befund, den kaum jemand bestreitet. Ebenso hat es kaum geholfen, ständig noch mehr Geld ins System zu pumpen.

Nun soll der große Wurf im kommenden Jahr gelingen, und dabei will Claudia Roth das gesamte Fördersystem des Bundes ins Visier nehmen, so Görgen. Auch das nicht neu, schließlich beginnt jede Novellierung mit einer Runde, in der die Lobbyverbände ihre Visionen für die Branche formulieren können. Doch längst hatte sich bei den Schreibern der Eindruck durchgesetzt, die Papiere landen in Schubfächern der Beamten.

Auf der Suche nach dem zweiten „Rheingold“

Doch wie es inhaltlich weiter gehen kann, ist nach diesem Abend weiter unklar. Dass das Fördersystem produktionslastig ist, das heißt die Entstehung von Filmen belohnt, die keiner sehen kann und will, ist auch seit Jahren bekannt. Dass mehr Geld in die Herausbringung und die Kinos fließen muss, darauf konnte sich die Runde von Vertretern aus Kino und Verleih schnell einigen.
Ebenso richtig ist, dass gerade junge Leute wieder ins Kino gelockt werden müssen. Von den Besuchern von „Rheingold“ war nur ein Drittel vorher überhaupt im Kino. Nun wollen alle etwas mehr „Rheingold“ wagen – ohne sich einzugestehen, dass der Stoff wahrscheinlich nur mit einem Namen wie Fatih Akin realisiert werden konnte. Ansonsten wäre er wohl von den zahlreichen Förder-Jurys aussortiert worden.

Eine Breitseite von Görgen gab es auch zur deutschen Filmkritik, die Rapper-Biopic nicht das beste Zeugnis ausstellte. Was wahrscheinlich eine Frage von Sozialisierung, Lebenswirklichkeit und Alter ist. Bezahlte Influencer können aber nicht der Ausweg sein, wie die Runde suggerierte, sie sind eher Teil des Marketings. Es ist, wie im gesamten Journalismus, auch eine Frage der Bezahlung, dass sich zu wenige junge Menschen für den Beruf entscheiden.

Branche mit hohem Beharrungswillen zum Status Quo.

Die von den Politikern geforderte Einigung der Branchenvertreter über ein modernes FFG-Regelwerk wird es wohl nicht geben. Sie kriegt ja kaum Kleinstlösungen hin. Seit Jahren wird über eine Branchenlösung zu den Sperrfristen verhandelt, das heißt die Zeiträume zwischen exklusivem Kinostart und den weiteren Verwertungsstufen. Gestern wurde bekannt, dass Kinos und Verleiher nicht in der Lage sind, nach britischem Vorbild ihre eigenen Geschäftsmodelle zu verbessern. Auf der Insel erfahren die Verleiher genau, zu welcher Tageszeit ihre Filme das Publikum anziehen und können dies für kommende Auswertungswochen berücksichtigen. In Deutschland rechnen die Kinos tageweise ab.

Ein weiterer großer Streitpunkt ist im Moment, wie Streamingdienste künftig in das Gesamtsystem einbezogen werden, was in diesem Abend kaum thematisiert wurde. Seit der letzten Novellierung des FFG zahlen sie nach einem geringen Abgabesatz in den Topf der Filmförderanstalt ein. Die EU ermöglicht es aber seit 2018, bis zu 25% des Umsatzes in dem jeweiligen Land für die Produktion von heimischen Content zu kassieren. Frankeich hat dies längst umgesetzt, seitdem wandern deutsche Produzenten ins Nachbarland ab. Spanien verlangt 5%.

Produktionsanreiz nach internationalem Vorbild.

Deutschland subventioniert stattdessen die Produktion einseitig mit mehr als 100 Millionen Euro aus Steuermitteln über DFFF und GMPF. Andreas Görgen will beide Modelle auf den Prüfstand stellen. Weltweit haben sich längst Steueranreizmodelle durchgesetzt, um Produzenten den Dreh im eigenen Land zu ermöglichen bzw. ausländische Produktionen anzulocken. Die positiven gesamtwirtschaftlichen Effekte sind belegt.

Ein wenig Hoffnung auf große Reformen machte der Abend, aber auch Skepsis ist auf Grund des engen Zeitplans angebracht. Schon im ersten Quartal soll der erste Referentenentwurf des FFG vorliegen. Er kann ein klares Signal setzen, das Regelwerk, das seit 1967 von 20 auf 200 Paragrafen angewachsen ist, zu entschlacken und damit größere Freiheit für alle Player eröffnen, die für den Filmmarkt notwenigen Rahmenbedingungen flexibel auszuhandeln. Und er sendet hoffentlich auch das Signal, dass der Reformwille nicht erlahmt.

Katharina Dockhorn


+++++++++++++

Mit einem Kulturpass wie in Frankreich sollen Jugendliche künftig auch in Deutschland günstiger an Bücher oder Kinokarten kommen. Der Haushaltsausschuss des Bundestages bewilligte dafür nach Angaben vom Donnerstag 100 Millionen Euro. Kulturstaatssekretärin Claudia Roth (Grüne) kündigte demnach im Ausschuss an, ähnlich wie in Frankreich solle der Kulturpass im Wert von 200 Euro an 18-Jährige ausgegeben werden. Damit solle der Kauf von Büchern oder der Besuch von Kinos oder Ausstellungen ermöglicht werden. Die Mittel wurden im Haushalt bis zur Vorlage eines Umsetzungsvorschlags gesperrt.

Der Kulturetat des Bundes für 2023 wird nach dem Beschluss des Ausschusses 2,4 Milliarden Euro betragen, im laufenden Jahr sind es 2,3 Milliarden Euro.

Zusätzliche Mittel sehen die Koalitionsfraktionen für den Erhalt von Kulturdenkmälern mit nationaler Bedeutung vor. Hier sind für 2023 nun 56 Millionen Euro eingeplant. Investive Kulturmaßnahmen, also Projekte bei denen Anschaffungen getätigt oder etwas gebaut oder umgebaut wird, sollen 109,8 Millionen Euro erhalten. Einrichtungen in den Bereichen Musik, Literatur, Tanz und Theater sollen mit 64,1 Millionen Euro bezuschusst werden. Ein Kürzung um rund neun auf etwa 166 Millionen Euro sind bei der Film- und Serienproduktion in Deutschland vorgesehen.

dpa / SZ - Sächsische Zeitung



Viewing all articles
Browse latest Browse all 324