Auch Mediatheken geht es an den Kragen durch Klage der Kreativverbände.
Vorgestern gewann der isländische Film "HEARTSTONE - HERZSTEIN" den European University Film Award, der im Rahmen des Europäischen Filmpreises am Abend zuvor verliehen worden war. Wir berichteten hier.
Trotz zahlreicher weiterer Preise gelang das Werk von Guðmundur Arnar Guðmundsson nicht in unsere Kinos. Es steht derzeit nur online auf AMAZON Prime Video sowie als DVD in der Edition Salzgeber zur Verfügung. Unserer Recherchen ergaben, dass nicht einmal die führende Online Videothek MAXDOME das Video vorhält. Auch beim DVD-Verleiher VIDEOBUSTER führte die Suche ins Leere.
Bei Berlins größter Videothek VIDEOWORLD wird ebenfalls abgebaut und zahlreiche Filialen mussten schon schließen. Auch hier war eine Suche erfolglos. Einzig Amazon listet den Film hier auch als DVD für knapp 14,- Euro, also deutlich mehr, als eine Kinokarte kosten würde.
Besonders schade steht es um die Videothek "Negativeland" von Jörg Ganzer in der Danziger Straße in Prenzlauer Berg, eine der letzten Institutionen für Arthouse-Filme, die ebenfalls zugemacht hat, denn der Trend zum Streaming im Internet ist nicht aufzuhalten. Damit sind auch alte VHS Kassetten von Filmen wie „Der Himmel über Marzahn“, „Berlin Super 80“ oder „Linie 1“– das Musical als Film von Reinhard Hauff für immer verschwunden.
Die Betreiber der Läden, die noch die Stellung halten, müssen entweder sparen, wo es geht, oder die Videothek mit anderen Geschäftsmodellen paaren.
24.000 Filme auf 70 Quadratmeter - dafür kaum noch Personal.
Nur das Videodrom in Kreuzberg wird nach wie vor als reine Videothek betrieben. Und Silvio Neubauer, der vormals die "Filmgalerie 451" in der Torstraße betrieben hatte und nebenbei auch im Filmverleih fürs Kino tätig ist, setzt in seinem zweiten, deutlich verkleinerten Laden in der Invalidenstr. 148, der nur noch "Filmgalerie Berlin" heißt, aufs Sparen. In seinem 70 Quadratmeter kleinen Laden gibt es deshalb auch kaum noch Beratung, denn das Personal wäre nicht mehr bezahlbar.
Doch eins ist klar für Neubauer: „In zehn Jahren wird es ganz sicher keinen Laden mehr geben, der so ist wie dieser hier.“
Fitzcarraldo-Besitzer lebt von seiner Bar.
Martin Schuffenhauer, Inhaber der Filmkunstbar Fitzcarraldo in Kreuzberg mit rund 13 000 ausgesuchter Filmtitel, hat sich dagegen für eine Mischform entschieden. „Wir leben von der Bar“, sagt der Eigentümer. Das gibt ihm die Freiheit, sich in Sachen DVD-Verleih weiter von seiner Filmleidenschaft treiben zu lassen. Allerdings mache er mit der Videothek vielleicht noch zehn Prozent Umsatz im Vergleich zu den besten Zeiten, als seine Videothek noch Roderich hieß und an einem anderen Standort war.
Ähnlich macht es auch Paulo da Senhora, Betreiber des "Filmkunst Friedrichshain" in der Gärtnerstraße. Neben 16.000 Filmtitel im Angebot betreibt er außerdem ein Café und macht regelmäßig dort Filmvorführungen, um zu überleben.
Anne Petersdorff in Lichtenberg musste kürzlich zwei Mitarbeiter entlassen. In ihrer Videothek „Madeleine und der Seemann“ verkauft sie außerdem Second-Hand- Klamotten und im Sommer Softeis. Auch sie hat jetzt begonnen, Filme zu zeigen, um einen weiteren Nebenverdienst zu haben. Im Verleihgeschäft hat sie sich auf Kinderfilme und besondere Filme aus dem Ausland spezialisiert. Damit trage sich der Laden „gerade so“, sagt Petersdorff gegenüber dem Tagesspiegel.
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SPIO: Online-Videomarkt wird immer wichtiger.
Anlässlich der Veröffentlichung des Filmstatistischen Jahrbuchs 2017 erklärte SPIO-Präsident Alfred Holighaus folgendes:
"Die marktwirtschaftlichen Daten bestätigen, dass die Verschiebung ins Netz ein anhaltender Trend ist. Die digitale Distribution von Filmen ist daher für die Zukunft der deutschen Filmwirtschaft entscheidend. Während die Umsätze aus dem physischen Videomarkt (Blu-ray/DVD) 2016 im Jahresvergleich um 13 Prozent ebenso gesunken sind wie die der Kinos, die 2016 rund 13 Prozent weniger Tickets verkauft hatten, stiegen die Erlöse digitaler Streaming- und Download-Angebote (EST/TVoD/SVoD) um 29 Prozent an; die Umsätze abonnierter Streamingdienste lagen demnach sogar um 43 Prozent über denen des Vorjahres", so Holighaus.
"Erlöse aus dem Online-Geschäft müssen kurz- und langfristig die Verluste aus unserem Kerngeschäft kompensieren. Deshalb kämpfen wir so entschieden dafür, dass unsere wertvollen Inhalte nicht auf zeitlich und räumlich ausgeweiteten kostenlos zugänglichen Mediatheken verramscht wird", so Holighaus weiter.
Insgesamt, so belegt das Filmstatistische Jahrbuch 2017, gab es im vergangenen Jahr 166 Spielfilmpremieren; mehr als die Hälfte davon waren deutsch-ausländische Koproduktionen.
"Gerade diesen Koproduktionspartnern müssen auch weiterhin exklusive gebietsbezogene Online-Lizenzen angeboten werden. Nur damit können sie ihre für die Filmfinanzierung unerlässlichen Investitionen kalkulieren und diese in der jeweiligen territorialen Online-Auswertung wieder reinholen", so Holighaus.
Das Filmstatistische Jahrbuch ist im Nomos Verlag in der Buchreihe "Medienrecht - Medienproduktion - Medienökonomie" erschienen und für 24 Euro im Buchhandel erhältlich.
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7-Tage-Löschfrist für ARD & ZDF Mediatheken sollte nicht wegfallen.
Die Regierungschefs der Länder sind sich auf ihrer Herbsttagung am 20./21. Oktober 2017 in Saarbrücken angeblich einig geworden. Die Siebentagefrist für Inhalte des öffentlich-rechtlichen Internetangebots soll abgeschafft werden.
"Die Regierungschefinnen und Regierungschefs der Länder sind sich darüber einig, dass die Verweildauern für Sendungen und auf Sendungen bezogene Telemedien über die bisher geltende Sieben-Tage-Regelung hinaus 'aufwendungsneutral' ausgedehnt werden sollen und die Regelung zum Verbot presseähnlicher Angebote weiter konkretisiert werden soll. Wir wollen das auflockern und verändern", so die rheinland-pfälzische Regierungschefin Malu Dreyer (SPD) zur Siebentagefrist.
Tatsächlich wurden die gesellschaftlichen Fragen eines Paradigmawechsels - weg vom scheinbar starren Programmfernsehen, hin zum scheinbar freien und dynamischen Schauen, wann, was und wo ich will - in den bisherigen Anhörungen zu den Änderungen des Rundfunkstaatsvertrags kaum thematisiert, so BVR-Geschäftsführer Jürgen Kasten vom Bundesverband Regie.
Katastrophale Auswirkung auf die Auftragsproduktion.
Die Ankündigung zur Abschaffung der Siebentagefrist durch die Regierungschefs der Länder ist - wenn sie tatsächlich rundfunkrechtlich umgesetzt wird - eine medienpolitische Katastrophe für die Branche. Die Neuformulierung der grundlegenden Rahmenbedingungen des öffentlich-rechtlichen Rundfunks betrifft nicht nur die Strukturen von ARD und ZDF und deren Angestellte, sondern in noch viel größerem Umfang auch die Urheber der Fernsehwerke, deren Arbeits- und Honorarbedingungen vom Rundfunkrecht ganz wesentlich vorgeprägt sind. Das Gleiche gilt für die Auswirkungen auf die Auftragsproduktion, die seit langem als Stiefkind der Medienpolitik gelten. Deshalb ist die Frage, ob und wie lange Fernsehwerke in der vielfältigen Mediathekenlandschaft von ARD und ZDF eingestellt werden können, existenziell für Drehbuchautoren, Regisseure und viele andere Fernsehschaffende.
Beträchtlich ausgeweitete Onlinenutzungen bleiben nur "aufwendungsneutral", wenn sie ohne zusätzliche Vergütung möglich sind. Doch solch umfassende Nutzungsrechte haben die Sender selten fair und redlich erworben. Eine erhebliche Erweiterung oder gar völlige zeitliche Entgrenzung der Verweildauer dürfte nach § 19a UrhG kaum angemessen abgegolten sein. Eine Vielzahl von Urhebern wird einen Anpassungs- oder Nachvergütungsanspruch nach § 32 oder nach 32a UrhG haben und in den kollektivvertraglichen Verhandlungen sicher auch geltend machen, so Jürgen Kasten gegenüber Blickpunkt:Film.
In einer gemeinsamen Stellungnahme äußerten sich neben dem Bundesverband Regie auch der Bundesverband Schauspiel, der Verband Deutscher Drehbuchautoren, der Berufsverband Kinematografie, der Bundesverband Filmschnitt Editor und der Verband der Berufsgruppen Szenenbild und Kostümbild, dass Urheber und ausübende Künstler "angemessen vergütet und am Erfolg ihrer Film- und Fernsehwerke beteiligt werden". Dies gelte auch bei einer Verbreitung über Online-Angebote.
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DJV wirbt für Erhalt von ARD und ZDF.
Der Deutsche Journalistenverband (DJV) hat für einen Erhalt von ARD und ZDF in der bestehenden Form geworben.
"Die Existenzberechtigung des öffentlich-rechtlichen Rundfunks kann nicht zur Disposition stehen", erklärte DJV-Chef Frank Überall einige Tage vorm Start der Jahreskonferenz der Ministerpräsidenten, nachdem Sachsen-Anhalts Medienminister Rainer Robra einen Umbau des öffentlich-rechtlichen Rundfunks gefordert hatte und für die Abschaffung der ARD plädierte und mit dem ZDF nur noch einen nationalen Sender erhalten will.
Gerade in Zeiten von Fakenews müssten die Strukturen gestärkt werden, die die öffentlich-rechtlichen Informationsangebote erst möglich machten. Zudem gehe es um einen "fairen Interessenausgleich" zwischen ARD-Digitalangeboten und privatwirtschaftlichen Portalen, so der DJV.
Auch die Vorsitzende der Rundfunkkommission der Länder, Malu Dreyer (SPD), stellte sich gegen den Vorschlag zur Abschaffung der ARD als nationalem Sender.
"Es gibt intelligentere Möglichkeiten, zu Einsparungen zu kommen", sagte Dreyer im Deutschlandfunk. "An der Grundstruktur der öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten solle man nicht rütteln".
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Bewegtbildwerbung erstmals über Fünf-Milliarden-Euro-Marke.
Hans Demmel, Vorstandsvorsitzender des Verbandes Privater Rundfunk und Telemedien (VPRT) stellt in seiner jährlichen Prognose zum Medienmarkt fest, dass die audiovisuellen Medien ihren Umsatz im laufenden Jahr noch um 5,8 Prozent auf 11,6 Mrd. Euro steigern werden und damit einen Zuwachs auf Vorjahresniveau erzielen.
Die Erlöse aus der Bewegtbildwerbung werden laut VPRT-Prognose um 2,8 Prozent auf 5,1 Mrd. Euro steigen und damit erstmals die Fünf-Mrd.-Euro-Marke durchbrechen. Ein gebremstes Wachstum prognostiziert der VPRT aber der TV-Werbung, was letztendlich auch den öffentlich-rechtlichen Sendern schaden könnte, die vor allem bei teuren Sportübertrageungen auf Nebeneinnahmen angewiesen sind.
Einen Rekordwert prognostiziert der VPRT allerdings den Paid-Content-Umsätzen, die mit 3,7 Mrd. Euro um 12,5 Prozent über dem Vorjahreswert liegen werden. Umsatzstärkstes Segment bleibt hier Pay-TV, wo die Umsätze um sieben Prozent auf 2,3 Mrd. Euro steigen sollen. Ein Plus von 26 Prozent prognostiziert der VPRT für die Paid-VoD-Umsätze, die bei 0,69 Mrd. Euro liegen sollen.
"Die audiovisuellen Medien werden in ihrer Bedeutung für den Wirtschaftsstandort gerne unterschätzt. Gerade die jüngsten Zahlen und die Jahresprognose zeigen stabiles, gesundes Wachstum und belegen deutlich, wie wichtig Fernsehen, Hörfunk und unsere digitalen Angebote sind. Dies darf aber nicht durch Regulierungsvorgaben wie beispielsweise die E-Privacy-Verordnung gefährdet werden. Unsere Unternehmen brauchen faire Wettbewerbsbedingungen. Davon profitieren nicht nur die vor- und nachgelagerten Branchen, sondern auch unsere Zuschauer, unsere Hörer, unsere User", kommentierte der Vorstandsvorsitzende des VPRT, Hans Demmel.
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Weiteres Ungemach droht vom Europäischen Parlament.
Obwohl es den deutschen Produzenten erstmals in der Geschichte der 2009 gestarteten jährlichen Herbstumfrage aktuell besser gehe als im Vorjahr, droht ihnen neues Ungemach vom Europäischen Parlament. Zwar hoffe Alexander Thies, Vorstandsvorsitzender der Produzentenallianz, dass sich die Lage in den kommenden Jahren für die Film- und Fernsehproduktion weiter nachhaltig verbessert, doch auch die Diskussion um den Erhalt des Territorialprinzips in der EU ist noch nicht vom Tisch.
Am 12. Dezember 2017 will nämlich das Europäischen Parlament möglicherweise auf Antrag des Berichtserstatters Tiemo Wölken noch einmal die sogenannte Sat/Cab-Verordnung zum Ursprungslandprinzip neu aufrollen, obwohl der Rechtsausschuss zuvor am 21. November 2017 empfohlen hatte, die audiovisuellen Belange der Kreativindustrie stärker berücksichtigen zu wollen und deshalb in seiner Verabschiedung, den Geltungsbereich auf „News and Current Affairs“ begrenzte.
Gegen die freizügigen Nutzung von Online-Diensten im Grenzverkehr ohne extra Abgeltung (wie z.B. bei grenzüberschreitender Nutzung von Mediatheken der Fernsehanstalten) wehren sich deshalb erneut zahlreiche Kreativverbände in einem gemeinsamen offenen Brief.
"Eine Ausweitung des Ursprungslandprinzips auf filmische Werke wäre nicht nur für Urheber und ausübende Künstler, sondern auch für unabhängige Produktionsunternehmen und kommerzielle Fernsehsender nachteilig. Letzten Endes würde auch unser Publikum - die europäischen Verbraucher - ein erhebliches Stück an kultureller und sprachlicher Vielfalt von Film- und Fernsehwerken verlieren, denn weniger Finanzierungsmöglichkeiten bedeuten weniger Inhalte, was unweigerlich zu einer geringen Auswahl für Verbraucher führt", so die Verbände.
Unterzeichnet wurde der Brief von AG Dok, AG Kino, AG Verleih, BVV, BVK, BVR, BFFS, Deutsche Filmakademie, der Film- und Medienverband NRW, German Films, HDF Kino, Produzentenallianz, SPIO, VDD, der Verband Deutscher Filmproduzenten, VDFE, VdF, VPRT und der Young Producers Association.
Quellen: Blickpunkt:Film | Tagesspiegel | Golem | DJV | BVR | ARD | VPRT