ARD prüft Beschwerde beim Bundesverfassungsgericht.
Der öffentlich-rechtliche Rundfunk ist unter Druck geraten, nicht nur in Deutschland. Auch in Österreich und der Schweiz regt sich Widerstand, vor allem von Rechtspopulisten gegen die sogenannte Zwangsgebühr.
Mit der Umwandlung der ehemaligen GEZ-Gebühr in einen Rundfunkbeitrag für ARD & ZDF, der für alle gilt - auch für jene die gar keinen Fernseher oder Radio haben, dafür aber ihre Informationen sowie Filme und Musik über das Internet umso eifriger mittels PC oder Smartphone (im Volksmund Handy) benutzen.
Kurz vor Weihnachten, genauer gesagt am 21. Dezember 2017 wurde nun bekannt, dass das Urteil von Verlegern gegen die Tagesschau-App rechtskräftig geworden ist und keine Revision zugelassen wird. Die ARD müsse sich im Hinblick auf die Presseähnlichkeit öffentlich-rechtlicher Online-Angebote in Zukunft strikt an die Vorgaben des Rundfunkstaatsvertrags halten, wie der Bundesgerichtshof (BGH) nach dem vorangehenden Urteil des Oberlandesgerichts Köln mitteilte.
"Es ist nun rechtskräftig, dass die ARD zum Schaden freifinanzierter journalistischer Angebote gegen Recht und Gesetz gehandelt hat.", erklärte Dietmar Wolff, Hauptgeschäftsführer des Bundesverbandes Deutscher Zeitungsverleger (BDZV).
In einem vorangehende Urteil hatte das Oberlandesgericht Köln die Ausgabe der „Tagesschau-App“ vom 15. Juni 2011 als „in unzulässiger Weise presseähnlich“ bewertet. Nun prüft der NDR den Gang zum Bundesverfassungsgericht, denn Informationen nur im Rundfunk oder linear im Fernsehen sowie begleitend im Videotext verbreiten zu dürfen, sei im Zeitalter des Internets nicht mehr zeitgemäß.
Tatsächlich stellt sich auch uns die Frage, wie lange das herkömmliche, lineare Fernsehen im Zeitalter von Mediatheken und Apps für Smartphone-Nutzer und Smart-TVs noch halten wird. Schon jetzt richteten die Rundfunkanstalten unter dem Deckmantel des Sendungsbezugs zunehmend textlastige Portale ein, die einen möglichen Wettbewerbseingriff zulasten der vielfältigen Presse in Deutschland darstellen könnten.
Dazu könnte möglicherweise auch der neue Jugendsender „funk“ zählen, der tatsächlich nur über das Internet und nicht mehr im TV verbreitet wird. Allerdings gab es dafür eine Sondergenehmigung zum Ausprobieren neuer Senderformate, denn anders als über Online-Formate können die 14- bis 29-Jährigen kaum noch erreicht werden.
Die Beiträge lassen sich im Internet unter www.funk.net abrufen, auch per App am Smartphone und Tablet und vor allem auf Plattformen wie YouTube und Facebook, zum Teil auch bei Snapchat und Instagram. Sämtliche Inhalte sind werbefrei. Ein Schwerpunkt sollen jedoch Webvideos sein, um das Verbot der Presseähnlichkeit zu umgehen. Mit klassischem linearen Fernsehen hat „funk“ dennoch kaum etwas zu tun. Unter der Federführung des Südwestrundfunks war der Start von „funk“ schon am schon 1. Oktober 2016. Damit einher erging das gleichzeitige Aus für die Digitalkanäle EinsPlus und ZDFkultur.
Aus Sicht des BDZV, der am Liebsten schon seit Jahren eine weitergehende Begrenzung für die öffentlich-rechtlichen Sender sehen würde, sind allenfalls zu Sendungen hinführende Texte, soweit diese nicht mehr als ein Drittel der jeweiligen Seite ausmachen, angemessen. Der Schwerpunkt öffentlich-rechtlicher Online-Angebote müsse eindeutig im audiovisuellen Bereich liegen. ZDF.de und WDR.de gingen allerdings mit gutem Beispiel voran, so Dietmar Wolff, Hauptgeschäftsführer des BDZV, der stellvertretend für die "Frankfurter Allgemeine Zeitung", Süddeutsche Zeitung", "Die Welt", "Westdeutsche Allgemeine Zeitung", "Kölner Stadt-Anzeiger", "Rheinische Post", "Ruhr Nachrichten" und "Flensburger Tageblatt" seine Meinung kundtat.
Der NDR hatte dagegen geltend gemacht, die „Tagesschau-App“ sei durch die Verknüpfung von Texten mit Videos, Audios und multimedialen Elementen ein nutzerfreundliches und zeitgemäßes Informationsangebot, das den rechtlichen Vorgaben entspreche.
Ein Verstoß gegen den Rundfunkstaatsvertrag der Bundesländer liegt laut Urteil des Bundesgerichtshofs von 2015 nur vor, wenn ein Onlineangebot „in der Gesamtheit seiner nichtsendungsbezogenen Beiträge als presseähnlich einzustufen“ sei. Eine „flächendeckende lokale Berichterstattung“ sei laut Rundfunkstaatsvertrag nämlich verboten.
Ob solche Einschränkungen auch für den vor mehr als 35 Jahren eingeführten Teletext (in Deutschland auch: Videotext genannt) gelten, wurde dagegen nie untersucht. Je nach Sender (besonders in den öffentlich-rechtlichen) werden dort Informationen zu aktuellen Themen sowie weitere Nachrichten zu speziellen Themen angeboten (z. B. Wissenschaft, Gesundheit, Natur, Wirtschaft, Börsenkurse und Prominews) für die in den Nachrichtensendungen keine Zeit ist, so der Wortlaut in der ARD. Zudem gibt es programmbegleitende Informationen zum Nachlesen, Tipps, Ankunfts- und Abflugzeiten an Flughäfen, Stauprognosen, Weltzeituhr, in den dritten Programmen auch Verkehrsnachrichten etc.
Auch im digitalen Zeitalter ist der Videotext noch nicht verschwunden, allerdings wurde er grafisch durch Hybrid broadcast broadband TV (HbbTV) aufgewertet und mit weiteren Informationen ergänzt. Vor allem für Benutzer von Smart-TVs sind die programmbegleitenden, weiterführenden Informationen Gold wert.
Auch die Tagesschau muss sich überlegen, Fernsehsendung so zu gestalten, dass man hinterher so viel wie möglich davon verstanden hat, was am Tag los gewesen ist. Dazu muss sich die Tagesschau wandeln und moderner werden. Alle Informationen des Tages in 15 Minuten zu packen ist kaum möglich. Eine App könnte tatsächlich Hintergrundinformationen und Ergänzungen zu den gezeigten Videos liefern.
Alles den privaten Sendern und Zeitungen zu überlassen, wäre im Zeichen von Fake-News aber falsch und könnte sogar gefährlich werden. Wie hieß es schon in den 70er Jahren „Bild“ lügt (Zeitung der Springer Presse) wenn wieder mal etwas arg verkürzt und missverständlich wiedergegeben wurde. Auch wenn dahinter meist ein wahrer Kern steckte, so sollte man nicht alles glauben, was die Boulevard-Presse schreibt.
Deshalb sind die öffentlich-rechtlichen Programme auch - oder gerade deswegen - im Zeitalter des Internets und der sozialen Medien (Facebook, Twitter), auf denen sich sogar Hassprediger tummeln, unverzichtbar.
Doch wie könnte die Zukunft der Tagesschau aussehen?
Anstelle der Nachrichtensprecher, die sowieso nur vom Blatt die News ablesen, könnten dies auch Avatare übernehmen, um dem Auftrag eines visuellen Vortrags, womit sich die öffentlich-rechtlichen von Printmedien abheben sollen, gerecht zu werden. Schon heute ist auch das automatische Vorlesen von Texten am Computer kein Problem mehr. Und die synthetischen Stimmen werden immer besser und deren Klangfarbe natürlicher.
Für Online-User wäre der komplette Verzicht auf linearer Berichterstattung auf jeden Fall von Vorteil. Mit Hilfe einer App könnten sich die Benutzer des Internets die Nachrichten nach ihren Vorlieben selbst zusammenstellen und bekämen nur das geboten, was sie am Brennendsten interessiert. Für die einen sind dies vielleicht Kulturnachrichten, garniert mit Filmausschnitten aus der Welt der Medien, während sich andere womöglich mehr für Wirtschaftsnachrichten mit einer Life-Schalte zu den Börsen der Welt interessieren.
Tatsächlich können sich manche Informationen im internet wie in einer Zeitung lesen lassen. Ein schnelles Durchblättern ist dabei ebenso möglich wie ein Aufrollen der Nachrichten und Informationen von hinten.
Mit Hilfe schneller Computerauswahl sind solche Ideen keine Utopien mehr und würden das herkömmliche Fernsehen revolutionieren.
Die Landesregierung in Nordrhein-Westfalen will dennoch keine Neugestaltung des Telemedienauftrages, sondern ein möglichst klares Verbot der Presseähnlichkeit, obwohl die Tagesschau-Nachrichten auch von Journalisten gemacht werden.
Nathanael Liminski, der als Leiter der Staatskanzlei von NRW für die Medienpolitik zuständig ist, fordert sogar "eine neue, schlanke Lösung mit einfachen Regeln, damit der öffentlich-rechtliche Rundfunk im Internet nicht alles machen kann, was möglich wäre."
Grund seines Vorstoßes ist der Sitz der privaten RTL-Gruppe in Köln, die seiner Meinung nach mehr Luft zum atmen baucht. Hinzu kommt eine Vielzahl an privater TV-Produktionsunternehmen, die neben dem WDR, der finanzkräftigsten ARD-Anstalt, die ebenfalls in Köln beheimatet ist, auch vom Kuchen etwas abhaben wollen. Doch etliche dieser Unternehmen leben auch vom WDR, nämlich dann, wenn sie nicht zu knapp mit Produktionen beauftragt werden.
Über strukturelle Veränderungen bei ARD und ZDF sowie beim Deutschlandradio entscheidet aber nicht die Landesregierung in NRW, sondern mit diesem Thema wurde Rundfunkkommission der Länder beauftragt.
Eines ist aber klar, die Öffentlich-Rechtlichen wurden nicht als Verlage gegründet, sodass Printlokaljournalismus nicht ihre Aufgabe ist. Allerdings besteht dazu kaum eine Gefahr, denn wer wie die ARD im Internet unterwegs ist, um mit Videojournalismus Informationen zu verbreiten, wird wohl kaum alles ausdrucken wollen, sondern eher das Ziel haben, ein Print- und papierloses Büro zu betreiben, um der Abholzung des Urwaldes entgegen zu wirken.
Quellen: BDZV | Presseportal - news aktuell | Morgenpost | Tagesspiegel