Geschichten aus Jerusalem in 360°/VR von Dani Levy.
In Berlin ist erst vor wenigen Tagen die Games Week (23.- 29. April 2018) zu Ende gegangen, gefolgt von der Digitalkonferenz re:publika, die im Rahmen der Media Convention Berlin (2.- 4. Mai 2018) mit zu den außergewöhnlichsten Festivals für digitale Kultur gehört. Der unbedarfte Leser wird in erster Linie kaum einen Zusammenhang zwischen den Veranstaltungen erkennen. Doch die Annahme ist falsch, denn alles wird sich zukünftig digital im großen Internet-Netz abspielen - und alles hat mit Datensicherheit zu tun, deren Debatte nach dem Facebook-Skandal gerade erst angefangen hat.
Auch Filme werden heute kaum noch analog auf Filmmaterial hergestellt. Der Trend geht zu hochauflösenden digitalen Aufnahmen und der Wiedergabe über einen Stream im Internet. Noch hat das Kino aber gottlob nicht ausgedient. Die größere Leinwand schafft ein anderes Erlebnis, als die Betrachtung von Filmen auf dem heimischen Bildschirm. Allerdings beziehen auch die Kinos ihre Filme inzwischen digital, manche davon direkt über Satellit oder Kabelnetze. Die ersten Kinos haben sogar die Projektion auf Leinwänden abgeschafft und präsentieren ihre Filme auf übergroßen Samsung Onyx Cinema LED Screens.
Nach Wim Wenders, der schon vor ein paar Jahren mit dem 3D-Cinema experimentiert hat, geht der Schweizer Regisseur Dani Levy noch einen Schritt weiter und wagt sich an das Thema 360°/VR heran, das sich nicht mehr auf Leinwänden abspielt, sondern den Betrachter mittels einer 3D-VR-Brille nahegebracht wird.
Vom 3. Mai bis 17. Juni 2018 präsentiert er im Glashof des Jüdischen Museums Berlin seine erste fiktionale VR-Serie mit Geschichten aus Jerusalem über Glaube·Liebe·Hoffnung·Angst. Die vier 360-Grad-Kurzspielfilme in Stereo-3D hat Dani Levy exklusiv für das Jüdische Museum in Berlin realisiert.
Über die Ausstellung lassen wir den jüdischen Filmemacher in einem Video selbst zu Worte kommen. Hier der Clip:
Dani Levy wünscht sich höhere Bildqualität bei 360-Grad-Produktionen.
Der Kinomann Dani Levy hat zwar vier kurze Spielfilme in 360 Grad und 3D erfolgreich abgedreht, doch das Ergebnis fällt für ihn ernüchternd aus. Weder die gewünschte Mobilität war für das Projekt mit dem zur Verfügung stehenden Equipment zu erreichen, noch die Qualität der Videoauflösung. Im Vergleich zur Auflösung von 4K-Kinoprojektionen, erinnert die heutige VR-Bildqualität leider eher an schlechtes VHS-Homevideo, so der Regisseur.
Auf der Suche nach geeignetem Equipment wurde Kameramann Filip Zumbrunn beim chinesischen Startup Kandao fündig. Dessen Kamera Obsidian R vereint sechs Fischaugen-Linsen, deren Bilder mit nur 30 fps, dafür aber mit bis zu 8K aufgezeichnet werden können. Allerdings dauert das Stitching von nur einer Minute langen Einstellung selbst in der schlechtester Qualitätsstufe, etwa eine halbe Stunde, denn die verwendete Kamera speichert die Signale hoch komprimiert in H.265, die zur Weiterverarbeitung erst wieder dekomprimiert werden müssen. Aus den Bildflächen von 4K x 4K werden dann VR-Doppelbilder in 3D generiert.
Auch wir hatten schon mehrfach Kontakt mit dem VR-Medien, deren Technik zwar rasant voranschreitet, aber auch bei gerenderten Videospielen immer noch nicht überzeugt. Die Betrachter kämpfen immer wieder mit Widrigkeiten. Mal sitzen die Brillen nicht gut und man fängt an, darunter zu schwitzen. Die meisten die VR-Brillen können zudem die hohen Auflösungen noch nicht schnell genug verarbeiten. Darüber hinaus kann bei schnellen Bewegung und Kamerafahrten einem leicht übel werden.
So bleiben die vier Filme von Dani Levy ein Experiment, das aber in die richtige Richtung weist und bisher weitgehend unerforschtes Terrain betritt.
Hintergrund zu den Filmen.
Die vier Filme von Dani Levy entstanden anlässlich der Jerusalem-Ausstellung des Jüdischen Museums Berlin. Sie sind ab heute im Jüdischen Museum in der Berliner Lindenstraße zu sehen. Zeitgleich stehen sie auch über die Arte360-App online zur Ansicht bereit.
Die jeweils fünf- bis achtminütigen Episoden erzählen aus israelischer und palästinensischer Perspektive vom Leben an einem Brennpunkt des Nahost-Konflikts und sind geprägt vom trockenen Humor, den wir aus Levys Filmen kennen.
Mit Virtual-Reality-Brillen können die Zuschauer*innen die Ambivalenz und Intensität der Stadt an der Seite eines Stand-up Comedians am Zionsplatz, eines Soldaten am Checkpoint oder eines Scharfschützen über den Dächern der Altstadt unmittelbar und immersiv erleben. Mal sind sie Beobachter*innen, mal werden sie angespielt und in die Szenen einbezogen.
Auch wenn alles noch nicht ganz perfekt ist, freute sich Medienboard-Geschäftsführer Helge Jürgens anlässlich einer Voraufführung über das Vorzeige-Projekt, bei dem die klassische Filmwelt neue Wege einschlägt.
Link: www.jmberlin.de
Quellen: FTV | Jüdisches Museum Berlin